Bad Krozingen. Die Bad Krozinger Packi Klinik verspricht Patienten mit Schmerzen im Rücken, Knie oder Hüfte deutliche Linderung ihrer Probleme, bis hin zur kompletten Schmerzfreiheit. Der Arzt Claus Becker, Medizinischer Leiter der Packi Klinik, klärt im Interview auf, was sich eigentlich hinter dem Begriff Arthrose versteckt und wie man vielen daraus resultierenden Problemen ohne OP und ohne Schmerzmittel beikommen kann.
Wikipedia definiert Arthrose wie folgt: „...eine degenerative Gelenk-erkrankung (Gelenkabnutzung) und wird auch als Gelenkverschleiß, der das altersübliche Maß übersteigt, bezeichnet.“ Stimmt das so etwa nicht, Herr Becker?Claus Becker: Ich halte dagegen, dass es Verschleiß am menschlichen Körper nicht gibt.
Arthrose lässt sich aber doch auf Röntgenbildern nachweisen. Was ist Arthrose denn dann?
Claus Becker: Im Prinzip handelt es sich bei der Arthrose um einen Hungerschaden des Knorpels. Je nachdem, wie weit fortgeschritten dieser Hungerschaden ist, lässt sich das Problem ohne OP beheben und der Schmerz, den der Patient empfindet und der übrigens nicht vom Knorpel stammt, weil Knorpel gar nicht über Schmerzrezeptoren verfügt, dieser Schmerz also kann im günstigsten Fall komplett verschwinden.
Können Sie Ihre These vom Hungerschaden des Knorpels und von der OP-freien Therapie von Arthrose für Laien verständlich erklären?
Claus Becker: Sehr gerne, aber ich muss etwas ausholen: Die Aufgabe von Knorpel ist es, Reibung zwischen zwei Gelenkpartnern zu vermindern. Das geschieht, indem der Knorpel durch Druck und Bewegung ausgewalkt wird. Dadurch entsteht ein Wasserfilm, auf dem die Gelenkpartner entlanggleiten, ähnlich wie ein Schlittschuhläufer, dessen Kufen eben auch auf einem Wasserfilm gleiten. Durch das Auswalken wird der Knorpel komprimiert, bildet dadurch den angesprochenen Wasserfilm, betreibt aber gleichzeitig auch Stoffwechsel. Das heißt, er sondert durch Kompression Stoffwechselprodukte ab und nimmt in der Entlastung wie ein Schwamm Gelenkflüssigkeit auf, von der sich der Knorpel ernährt. Wenn er aber durch eingeschränkte muskuläre Beweglichkeit nicht in seiner Gesamtheit, also auf seiner gesamten Oberfläche ausgewalkt wird, werden die nicht mehr ausgewalkten Teile des Knorpels schlechter ernährt. Es entsteht der bereits angesprochene Hungerschaden, den wir im Röntgenbild als Arthrose wahrnehmen. Der Schmerz entsteht – und darauf kommt es entscheidend an – durch eine Bewegungsstörung der Muskulatur.
Ist ein solcher Hungerschaden nicht nur ein Synonym für den Begriff Verschleiß?
Claus Becker: Ganz und gar nicht. Gäbe es Verschleiß, käme es ja zu einem Materialabrieb, den wir faktisch nicht haben. Die klassische Orthopädie bietet in der Regel operativen Ersatz des gesamten Gelenkes an, während wir einen Hungerschaden des Knorpels häufig noch korrigieren, ja heilen können, indem wir die bewegungsgestörten Muskelgruppen gezielt reaktivieren. So wird der Bewegungsumfang am Gelenk vergrößert und gleichzeitig wird der Knorpel besser ernährt. Die Folgen sind eine bessere Funktion des Gelenks, Schmerzlinderung, im Idealfall sogar komplette Schmerzfreiheit. Und das ganz ohne OP und ohne Spritzen.
Gelingt dieses kleine Wunder in allen Fällen?
Claus Becker: Nein, leider nicht in 100 Prozent der Fälle. Entscheidend ist immer, wie weit der Knorpel bereits geschädigt ist und wie gut wir die Bewegungsstörung der Muskulatur beseitigen können. Fakt ist aber, dass in sehr vielen Fällen eine OP vermieden werden kann. (fr)
Über Schmerzen: Zum Bewegungsapparat gehören Knochen mit Gelenken. Aus diesen Bauteilen besteht der mechanische Apparat des Körpers. Zu einer vollständigen Bewegungseinheit werden mindestens zwei Knochen, ein Gelenkband und zwei Muskeln benötigt. Der einzig variable Teil im System ist der Muskel. Indem er sich verkürzt, verändert er seine geometrische Form und erzeugt Kraft und Bewegung. Er arbeitet. Wer arbeitet, kann Fehler machen. Knochen und Bänder arbeiten nicht. Sie sind immer gleich. Sie übernehmen Kraft (Druck- und Zugkraft), aber sie bewegen sich nicht und verrichten damit keine Arbeit. Als Ursache für geometrische Störungen scheiden sie unter physiologischen Bedingungen aus. Ein Muskel verbindet zwei Knochen miteinander. Ein Muskel besteht aus vielen einzelnen Fasern. Jede dieser Fasern zieht wie die Finger einer Hand in eine andere Richtung. Bei der Funktion des Muskels werden alle Fasern gemeinsam aktiviert und produzieren eine gemeinsame Bewegung. Die innere geometrische Anordnung der einzelnen Muskelfasern bestimmt dann die Bahn der bewegten Knochen. Diese Muskelfasern werden bei jeder Einzelaktivität beansprucht und sind störanfällig. Kommt es hier zu Veränderungen, ist die Bahn verändert und das bewegungsgeometrische Gefüge ist gestört. Kraftfluss und Bewegungsablauf passen nicht mehr zu den stehenden, unveränderlichen Strukturen, den Gelenkoberflächen, Gelenkbändern und Knochen. Es kommt zu pathologischen Kraftwirkungen und zu Bewegungs- blockaden – Schmerz entsteht. Zu jedem Schmerz gehört ein funktionsgestörter Muskel. (RK)